Birkos Leben mit einer Prothese

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Der klei­ne Bra­cken­mix Bir­ko fand schon als Wel­pe sein Für-immer-Zuhau­se - und dass obwohl er ein Han­di­cap hat­te, das ihn und sei­ne Fami­lie dau­er­haft beglei­tet und viel Auf­merk­sam­keit erfor­dert. Aber sei­ne Fami­lie nahm die Her­aus­for­de­rung posi­tiv an und hat sie zusam­men mit Bir­ko gut gemeis­tert. Im fol­gen­den Text berich­ten sie über ihr Leben mit einem “Han­di­ca­phund”:

Der ers­te Pfo­ten­schuh für Klein-Birko

Bir­ko wur­de am 17.09.2011 gebo­ren und kam mit einer ganz beson­de­ren rech­ten Vor­der­pfo­te auf die Welt. Durch eine bak­te­ri­el­le Infek­ti­on war die Pfo­te lei­der nicht kor­rekt aus­ge­bil­det und ver­kürzt. Bir­ko kam als Wel­pe zu uns und wur­de am 09.11.2011 als neu­es Fami­li­en­mit­glied auf­ge­nom­men. Die Ent­schei­dung, einen Hund mit Han­di­cap auf­zu­neh­men, wur­de ganz bewusst getrof­fen. Auch habe ich mir schon vor der Adop­ti­on vie­le Gedan­ken gemacht und recher­chiert, was für ihn das Bes­te sein könn­te, um ein ganz nor­ma­les Hun­de­le­ben zu führen. 

Bereits mit zwei Mona­ten bekam Bir­ko einen pro­vi­so­ri­schen Pfo­ten­schuh, damit bei­de Vor­der­pfo­ten die glei­che Höhe hat­ten. Nun - theo­re­tisch alles schön - aber prak­tisch fand Bir­ko das alles ande­re als schön, genau­er gesagt, er woll­te die­sen Pfo­ten­schuh nicht akzep­tie­ren und sein Blick hät­te Eis­ber­ge schmel­zen las­sen kön­nen. Nun hieß es, den dicke­ren Kopf als Klein-Bir­ko zu haben und ihm mit viel Geduld und Lecker­lis den Pfo­ten­schuh schön zu reden. Lang­sam kam es in sei­nem Kopf an, dass ihm das gut tat. Aber es wur­de schnell klar, dass er etwas Stab­li­le­res als den Pfo­ten­schuh brauchte. 

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Bir­kos ers­te Prothese

Am 02.02.2012, also mit vier­ein­halb Mona­ten, war es dann so weit: Bir­ko bekam sei­ne ers­te Pro­the­se. Damit sie rich­tig ange­passt wer­den konn­te, war vor­her noch eine Ope­ra­ti­on not­wen­dig. Es muss­ten zwei Kral­len aus sei­ner beson­de­ren Pfo­te ent­fernt wer­den, die sonst dau­er­haft Schmer­zen in der Pro­the­se ver­ur­sacht hät­ten. Bir­ko fand das erst ein­mal alles sub­op­ti­mal und auch sei­ne neue Pro­the­se ließ ihn nicht in Begeis­te­rungs­stür­me aus­bre­chen und so war es ganz wich­tig, dran zu bleiben. 

Jeden Tag sind wir drei Mal zehn Minu­ten sepa­rat - also ohne die ande­ren Fami­li­en­hun­de - gelau­fen und haben das Kom­man­do “Pfo­te” ein­ge­führt, damit es über­haupt mög­lich war, die Pro­the­se in Ruhe anzu­le­gen. Die­se Übung war mit vie­len Lecke­rei­en aus­ge­stat­tet und Bir­ko fand nach und nach mehr Gefal­len an sei­ner Pro­the­se. Aller­dings dau­er­te das alles fast sechs Mona­te. Bir­ko lief mit der Pro­the­se bes­ser an der Lei­ne, wenn etwas Zug drauf war. Eigent­lich fand ich das gut, aber ich hat­te nicht bedacht, wie wich­tig gera­de in die­sem Alter Übun­gen zur Ver­bes­se­rung der Lei­nen­füh­rig­keit gewe­sen wären. Bir­ko ent­wi­ckel­te sich folg­lich zu einem ganz nor­ma­len jun­gen „Halb­star­ken“. Das war schon etwas anstren­gend und aus heu­ti­ger Sicht wür­de ich die­se Zeit nun bes­ser gestal­ten kön­nen. Man muss wirk­lich sehr dar­auf ach­ten, das rich­ti­ge Maß zu fin­den und man muss sich bewusst machen, dass man cha­rak­ter­lich einen ganz nor­ma­len Hund hat, der selbst in keins­ter Wei­se reflek­tiert, dass er ein Han­di­cap hat. 

Für einen Jung- und dann auch noch Jagd­hund typisch such­te auch Bir­ko sei­ne Grenz­erfah­run­gen. Es war eine gro­ße Her­aus­for­de­rung, ihn nicht als einen armen, gehan­di­cap­ten Hund zu sehen. Wenn man das tut, begeht man den aller­größ­ten Feh­ler. In der Hun­de­schu­le muss­te ich eini­ges an Über­zeu­gungs­ar­beit leis­ten, bis BIr­ko als nor­ma­les Grup­pen­mit­glied in der Wel­pen­grup­pe und Jung­hun­de­grup­pe mit­ma­chen konn­te. Nun, auch bei den Hun­de­men­schen besteht wohl zum The­ma “Inklu­si­on” noch Lern- und Nach­hol­be­darf, am bes­ten durch sol­che posi­ti­ven Erfah­run­gen wie die mit Bir­ko 🙂 der schließ­lich doch noch alle Betei­lig­ten mit sei­nem Charme überzeugte. 

Nach eini­ger Zeit habe ich für Bir­ko die rich­ti­gen Beschäf­ti­gun­gen fin­den kön­nen, um auch das hüb­sche Hun­de­köpf­chen aus­zu­las­ten. Gera­de als Jagd­hund- genau­er gesagt Bra­cken­misch­ling hat er natür­lich auch eine gro­ße Nase und einen aus­ge­präg­ten Geruchs­sinn. So war schnell klar, Fähr­ten­su­che und Ziel­ob­jekt­su­che (Z.O.S) sind sei­ne Welt. Auch heu­te noch freut er sich schon, wenn ich nach sei­ner Box mit den Such­uten­si­li­en greife 🙂 

Bir­ko war erst fünf Mona­te alt, da wur­de in sei­ner beson­de­ren Pfo­te auch noch Arthro­se fest­ge­stellt. Zum Glück fand ich eine gute Hun­de­phy­sio­the­ra­peu­tin, die Bir­ko und mich beglei­te­te und auch heu­te noch anlei­tet, um Bir­kos Mus­keln zu stär­ken. Sie hat mir die pas­sen­den Übun­gen gezeigt und auch das Lauf­band­trai­ning half sowohl zur Gewöh­nung an die Pro­the­se als auch beim Mus­kel­auf­bau. So hat sich Bir­ko immer bes­ser an sei­ne Pro­the­se gewöhnt und kam schon bald freu­dig ange­rannt, wenn ich sie in die Hand nahm. Das war für ihn das Zei­chen, dass es raus ging und das ist bis heu­te so geblie­ben. Aber nicht nur der Mus­kel­auf­bau war von Anfang an wich­tig, ein beson­de­res Augen­merk habe ich auch stets auf Bir­kos Gewicht, damit sein Bewe­gungs­ap­pa­rat mög­lichst wenig belas­tet wird. 

Mein Bube auf dem Laufband

Bir­ko ist ein ganz beson­de­rer Hund - in jeder Hin­sicht. Er sucht immer etwas Abstand und braucht die nöti­ge Distanz und sei­ne Ruhe und möch­te ger­ne sel­ber bestim­men, wann er gestrei­chelt wird. Aller­dings ist es mit sei­nem Selbst­be­wusst­sein bei Gewit­ter don­ner­schlag­mä­ßig vor­bei, dann hat er es ziem­lich eilig, sich mit sei­nen 65 cm Stock­maß unter dem Bett zu ver­ste­cken. Ob das nun an sei­ner beson­de­ren Pfo­te liegt, kann ich nur ver­mu­ten 😉

Unse­re Prothesensammlung

Nun ist Bir­ko fast elf Jah­re alt. Er hat nun­mehr sei­ne fünf­te Pro­the­se, wäh­rend ich in der Zeit sicher das zwan­zigs­te Paar Wan­der­schu­he im Ein­satz habe 😉 Mitt­ler­wei­le wer­den die Run­den klei­ner. Frü­her dau­er­ten die Tou­ren ger­ne zwi­schen zwei und drei Stun­den, die er pro­blem­los mit­ge­lau­fen ist - nun sind wir bei zwei Mal drei­ßig bis fünf­und­vier­zig Minu­ten Lauf­zeit am Tag ange­kom­men, aber die läuft er gut. Bir­ko braucht nach wie vor kein Schmerz­mit­tel und beim all­mo­nat­li­chen Phy­sio­be­such schnei­det er alters­ent­spre­chend gut ab. Seit zwei Jah­ren behan­de­le ich zwei­mal in der Woche Bir­kos Rücken mit Reiz­strom. Das scheint ihm sehr gut zu tun. E bleibt wäh­rend der Behand­lung sehr ruhig lie­gen und es wirkt so, als wür­de er sich ent­span­nen und ein­fach nur genie­ßen. Sei­ne Art­ho­se ist, man kann es fast nicht glau­ben, nicht wesent­lich schlim­mer gewor­den und beschränkt sich auf sein beson­de­res Bein. 

Bir­ko und ich - wir haben viel erlebt und sind gemein­sam älter gewor­den. Wir haben nie auf­ge­ge­ben und schau­en auch jetzt posi­tiv in die Zukunft… und genie­ßen jeden gemein­sa­men Tag.

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